Männlich, weiblich oder was?

Zumindest der Titel der Sendung, die am Sonntag, 24.2. ab 23.40 Uhr beim MDR kommt, klingt interessant. Ich werde die Sendung aufzeichnen. Sicherlich ist es gut, wenn über Intersexuelle und Transsexuelle informiert wird. Manches in der Vorschau ist aber sehr provokant formuliert: „Außerdem tauchen andere Sexualitäten als die der Heteros auf – Trans-, Inter-, Homosexualität. Ist das im Sinne der Natur?“ – und gleich stellt sich die Frage: Ist und kann „die Natur“ Maßstab für den Umgang mit transsexuellen Menschen sein – oder vielleicht lieber besser eine Kultur, die von uns selbst tolerant, einfühlsam und aktiv gestaltet wird?
Aus der „Natur“ kann jemand alles mögliche ableiten, was höchst problematische Folgen haben kann, wie man in der NS-Zeit ganz praktisch sehen konnte. Ein Sozial-Darwinismus etwa führt zu massiven gesellschaftlichen Konflikten und seine Verankerung in einer Philosophie, die ihre Werte „aus der Natur“ bezieht ist zu hinterfragen. Auch die sogenannte Naturrechtslehre, wie sie in der kath. Kirche oft als Argument verwendet wird, ist deshalb kritisch konstruktiv zu hinterfragen und es braucht im ökumenischen Dialog entsprechende Konferenzen zum Naturrecht, wenn man die Stellung katholischer Bischöfe zum Thema Transsexualität verändern will.
Auch der Schnabeligel Harapan,  den ich in meinen Vorträgen gerne als Beispiel zeige, macht schnell klar, dass die Begrifflichkeit „Natur“ bzw. „natürlich“ alles andere als so naturgegeben ist, wie manche das annehmen.

Problematisch auch folgender Satz der Vorschau: „Transsexuelle sind Menschen, bei denen das biologische Geschlecht nicht mit der Geschlechtsidentität übereinstimmt: Männer, die sich als Frau sehen, und Frauen, die sich als Mann verstehen.“

Wieder einmal mehr absolut ohne Biologie-Kenntnis formuliert, denn „das“ biologische Geschlecht gibt es gar nicht, sondern nur eine Vielfalt von Geschlechtidentitäten, wie man sie bei Dr. Haupt in seinem Aufsatz „Sie sind ihr Gehirn“ nachlesen kann (S. 20).

Auch sind es eben keine „Männer, die sich als Frauen sehen„, sondern es sind Frauen. Die Absprechung der selbst wahrgenommenen Identität ist anscheinend Dauerproblem einer transphoben Gesellschaft.

Wann kapieren Verantwortliche in den Medien, dass Transsexualität in gewisser Weise ähnlich ist wie Tinnitus? Niemand würde sagen: An Tinnitus erkrankte Menschen sind Menschen, die behaupten, einen Pfeifton zu hören. (Exkurs: Leider argumentieren manche TERFs genau so).
Jedem ist klar: Mit so einer Aussage nimmt man das Leid der Betroffenen nicht Ernst, sondern stellt sie in die Ecke einer seltenen Spezies von Menschen, die total anders sind als man selbst. Damit aber fängt Diskriminierung sprachlich an. Das englische Wort „to otherize“ beschreibt genau und sehr präzise, wie solche sprachlichen Schlampereien bei allen möglichen Minderheiten Probleme auslösen, vertiefen und Ghettoisierung ermöglichen.

Es dürfen noch Wetten abgeschlossen werden, wie viele Jahre es noch dauert, bis solche Formulierungen mal endlich präziser werden 😉

Immerhin gibt es ein Youtube-Video, in dem sachlich über Transsexualität aufgeklärt wird…

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