FAQ zur Petition

Es gab einige Fragen, die im Blick auf meine Petition (hier zu finden) öfter gestellt wurden (sogenannte „frequently asked questions“ – FAQ). Diese möchte ich hier aufgreifen. Es geht hier in diesem Artikel um eine Petition zum Transsexuellengesetz (und nicht um die Petition, die ich im Jahr 2016 zum Thema „Sicherheit an Bahnsteigen“ gestartet habe! Zur neuen Petition („Sicherheit an Bahnsteigen“) gibt es einen eigenen Artikel in diesem Blog und ggf. werde ich dazu einen eigenen FAQ Artikel erstellen).

Frage 1: Warum gibt es mehrere Plakate zur Petition?
Antwort: Weil unterschiedliche Werbematerialien unterschiedliche Zielgruppen ansprechen und überzeugen können. Man findet die Plakate auf www.familie-zwoelfer.de/petition in den Anhängen…

Frage 2: Ist die Vereinfachung des Namensänderungsverfahrens ein Problem im Hinblick auf Straftäter?
Antwort: Nein. Straftaten bleiben beim bisherigen Verfahren wie beim neuen Verfahren völlig unabhängig vom Vornamen in einer entsprechenden Straftäterkartei (z.B. Verkehrssünderregister in Flensburg) gespeichert. Diese wird bei der Namensänderung aktualisiert bzw. entsprechend mit dem neuen Vornamen verbunden – d.h. wer vorher Konkurs gemacht hat und Gläubiger geschädigt hat, wird auch nach einer Namensänderung weiterhin bei allen damit verbundenen Justizbehörden bzw. Schufa aktenkundig sein. Ansonsten würden Steuersünder, Konkursbetrüger und andere Straftäter ja auch das bisherige Verfahren ausnützen – geht aber eben nicht. Es ist ja auch bei einer Heirat nicht möglich, sich der Verantwortung, die man als Bürger gegenüber anderen Menschen hat, zu entziehen – nur dort ist es wesentlich einfacher, einen neuen Ausweis zu bekommen.

Frage 3: Ist die Petition ein Freibrief für Psychologen und Psychiater, die Psychopathologisierung fortzusetzen? Bzw. unterstützen Sie deren Arbeit?
Antwort: Nein. In der Petition geht es nur um die rechtliche Thematik. Im Blick auf problematische medizinischen Begriffe wie „Geschlechtsdysphorie“ und „Geschlechtsinkongruenz“ habe ich mich andernorts in diesem Blog klar ablehnend geäußert. Ebenso im Blick auf die Frage, warum ich lieber von „Transsexualität“ rede. Ich arbeite aber mit allen Menschen zusammen, die bereit sind, meine Petition und deren Ziel zu unterstützen. Das ist klar formuliert. Aber das bedeutet nicht, dass ich die Meinung und deren Aussagen der Unterstützer sonst generell teile. Wenn ich die Meinung anderer teile, dann mache ich das explizit deutlich, in dem ich entsprechende Passagen zitiere.

Frage 4: Ist diese Petition auch von Akademikern unterzeichnet worden?
Antwort: Ja. Einige haben mir inzwischen erlaubt, ihren Namen zu veröffentlichen. Unter anderem haben die Petition unterzeichnet: Prof. Dr. Udo Rauchfleisch (klinischer Psychologe, Basel) Prof. Dr. Regina-Michaela Wittich (Transsexualität + Biowissenschaften, Spanien); Prof. em. Dr. Helmut Zwölfer (Biologe); Prof. Dr. Barbara Thiessen (Gendersensible Soziale Arbeit, Landshut); Prof. Dr. Sabine Hark (TU Berlin); Prof. Dr. Monika Barz (PH Ludwigsburg); Dr. Timo Ole Nieder (Dipl. Psych., Klinik HH Eppendorf) Anette Güldenring (Fachärztin für Psychiatrie), Dr. Gisela Bog-Preussner (Psychologin, Ansbach) und etliche andere mehr… (wird ggf. noch ergänzt)

Frage 5: Aber ist Transsexualität nicht eine psychische Störung? D.h. darf man denn da einfach so ohne Gutachten mehr Freiheit ermöglichen? Und wenn ich unterschreibe – ist es dann am Ende nicht zu einfach, dass jemand Hormone bekommt und massiv seinen Körper verändert?
Antwort: Transsexualität wurde früher als Geschlechtsidentitätsstörung angesehen und zum Teil von manchen bis heute so eingeordnet – allerdings gibt es immer mehr namhafte Psychiater, Psychologen und Neuropsychologen, die den Begriff der Geschlechtsidenitätsstörung ablehnen (mehr dazu an anderer Stelle in diesem Blog). Außerdem zeigte die Psychiaterin Anette Güldenring, dass für den Gesetzgeber die Frage, ob eine Störung vorliegt, im Blick auf die Namensänderung gar nicht wichtig ist und die Gutachterei jeder wissenschaftlichen Grundlage entbehrt (mehr dazu weiter unten bei Frage 7)
Die Petition hat keinen Einfluss auf die medizinische Behandlung. Derzeit ist es wesentlich einfacher, eine Hormontherapie zu bekommen als einen neuen Personalausweis. Wer von sich weiss, eine (transsexuelle) Frau zu sein, kann manchmal schon nach 1-2 Gesprächsterminen mit einem Psychologen eine Überweisung zum Endokrinologen bekommen. Allerdings stigmatisiert die Diagnose F64.0, wie andernorts mehrfach erwähnt. Ein weiteres Problem ist, dass es sehr vom Psychologen/Psychiater abhängt, wie viele Termine man braucht, um die Überweisung zu bekommen – Grund: Es gibt keine ausreichend evidenzbasierte Forschung zur Transsexualität (außer in der Neuropsychologie), die wissenschaftlich-medizinischen Kritierien standhält, d.h. es liegt an der subjektiven Meinung dessen, der die Überweisung zu schreiben hat, wann man sie bekommt.

Frage 6: Wie gehst Du mit der Kritik etlicher transsexueller Menschen an der Nennung von Timo O. Nieder um?
Antwort: Seine Ansichten im Blick auf Transsexualität werden nicht generell von allen transsexuellen Menschen geteilt. Derzeit diskutieren wir in unserer facebook-Gruppe, ob wir ihm einige Fragen stellen um zu klären, wie sein Standpunkt im Blick auf umstrittene Fragen ist. Durch die Zeichnung der Petition bekennt sich Nieder jedenfalls klar zu dem Ziel, das in vielen Forderungskatalogen transsexueller Menschen steht.

Frage 7: Ist der Beitrag aus der Zeitschrift für Sexualforschung 2013 bekannt?
Antwort: Ich habe ihn mit Interesse gelesen und zitiere hier gerne daraus
Der Artikel ist von der Fachärztin für Psychiatrie, Anette Güldenring, und hat den Titel „Zur Psychodiagnostik von Geschlechtsidentität“ (Zeitschrift für Sexualforschung 2013, 26) verweisen könne. Sie kritisiert dort das Gutachtenverfahren im TSG mit deutlichen Worten:

Wichtigste Instanzen, die die Grenzen für transidente/transsexuelle Menschen definieren, sind die Kostenträger des Gesundheitssystems, die psychomedizinischen Disziplinen und der Gesetzgeber, der mit dem Transsexuellengesetz (TSG) die Modalitäten für eine Vornamens- und Personenstandsänderung ( und ) vorgibt. Das TSG ist seit 1981 in Kraft und trotz unermüdlicher Widerstände seither nicht reformiert worden. Es ist sträflich überaltet.“ (S.160)

Güldenring zeigt in ihrem Aufsatz,

„dass die psychodiagnostischen Methoden jeder theoretischen Grundlage entbehren, die eine objektive Diagnostik geschlechtlichen Emfindens im Rahmen menschlicher Wahrnehmung zulassen würde. Diese fehlende Wissensbasis könnte u.a. Hintergrund für die sich über die Periode des TSG zunehmenden Verwicklungen und Rollenkonfusionen zwischen Medizin/Psychologie und Rechtssystem sein, die immer noch nicht offen diskutiert werden.“ (S.160f).

Güldenring fährt fort:

„Die Fremddiagnostik […] wie sie im TSG-Verfahren praktiziert wird […] ist keinen Tag länger zu vertreten“ (S.161f.)

Im Blick auf das TSG schreibt Güldenring, dass der Gesetzgeber

„nicht danach gefragt hat, ob diese >>transsexuelle Prägung<< Wertigkeit einer krankhaften oder seelischen Störung hat […]. Daraus ist zu schließen, dass ein Krankheitsaspekt […] für eine Entscheidung zur VÄ und PÄ nicht von Belang ist. Und obwohl nun der Krankheitsaspekt nicht von Belang ist, ist es in der TSG-Gutachtenpraxis zur Gepflogenheit geworden, […] nach der Lehre der Psychopathologe zu begutachten.“ (S.162)

Das das TSG Verfahren von vielen transsexuellen Menschen als rein subjektive Willkür der Gutachter erlebt wird, bestätigt Güldenring ebenso:

„Geschlechtsbestimmung unterliegt gesetzlich delegiert der rein subjektiven Blickweise des/der Gutachter_in.“ (S. 163)

und im Blick auf die Petition will ich besonders folgende Aussage von Anette Güldenring betonen:

„Krankheitswert ist im SGB zwingende Voraussetzung, im TSG nicht.“ (S.165)

Um es auf den Punkt zu bringen: In der Petition geht es nicht um die Frage des Leidensdrucks bzw. Krankheitswerts von Transsexualität und damit nicht um die Frage, inwiefern man das SGB (Sozialgesetzbuch) ändern müsste…

Frage 8: Gefährdet eine Streichung des Gutachtenzwangs nicht die medizinische Behandlung transsexueller Menschen?
Antwort: Nein. Die Petition zielt nur auf eine Verbesserung der rechtlichen Seite (VÄ/PÄ). Im Blick auf medizinische Fragen gibt es noch viel Diskussionsbedarf und mir als transsexueller Frau ist es vollkommen klar und wichtig, dass transsexuelle/transidente Menschen auf alle Fälle weiterhin medizinische Hilfe und Unterstützung brauchen. Sowohl die ATME e.V. als auch STP arbeiten im Bereich der medizinischen Fragen an Alternativen zu bisherigen Konzepten. Diese sind aber nicht Gegenstand dieser Petition.

Frage 9: Sollte nicht das Bundesgesundheitsministerium (BMG) als Adressat der Petition angeschrieben werden?
Antwort: Die Petition geht in die Richtung, das für die rechtliche Anerkennung von Menschen die das TSG in Anspruch nehmen keine Gutachterpflicht mehr nötig ist. Damit ist das BMG aussen vor. Das BMJ ist bisher zuständig, weil die Verfahren bei der Justiz anhängig sind. Das soll durch die Petition indirekt auch geändert werden (d.h. man geht zum Amt vor Ort, wie wenn man heiraten will und deshalb einen neuen Ausweis braucht). Da dies alles in das zuständige PstG (Personenstandsgesetz) eingearbeitet werden kann ist das BMI der richtige Ansprechpartner. Da hier mehrere Ministerien ihre Zuständigkeit erklären könnten ist eine effektive Zusammenarbeit dieser nötig.
Der Petitionsausschuss leitet Petitionen an die richtigen Stellen, gerade wenn mehrere Adressaten zuständig wären. Davon abgesehen beschließt der Bundestag Gesetze und nicht einzelne Ministerien.

Frage 10: Welche Vorteile würde ein Erfolg der Petition bringen?
Antwort: Wenn die Voraussetzungen für eine VÄ/PÄ gesenkt werden, „würden nicht nur Gerichts-, Gutachtenkosten und therapeutische Ressourcen“ (Güldenring, S. 172) eingespart werden, „sondern auch psychosozialer Stress und seine Folgen […]“ (ebd.) minimiert werden.

Frage 11: Braucht es nicht 120.000 Unterschriften (Quorum), damit sich was bewegt?
Antwort: Nein. Jede Unterschrift zählt. Jede Unterschrift signalisiert, dass mündige Wähler eine Veränderung wollen und dafür eintreten. Bei Menschenrechtsorganisationen wird die Erfahrung gemacht, dass viele Kampagnen Verbesserungen für die betroffenen Menschen bewirken können, selbst wenn es nur einige hundert Unterschriften sind, die gesammelt werden können.

Frage 12: Wenn ich öffentlich unterschreibe – bekomme ich dann unerwünschte Mails von anderen, die die Petition unterschrieben haben?
Antwort: Nein, die Mailadressen sehe nicht einmal ich als Autorin der Petition. All denen, die im Blick auf Mailadressen vorsichtig sein wollen, kann man die Unterschrift auf einem heruntergeladenen Unterschriftenbogen empfehlen. Diesen kann man entweder selber wieder hochladen oder per Post an mich schicken und ich übernehme das dann (sofern die Zeichnungsfrist noch läuft).

Frage 13: a.) Ist die Petition Ergebnis der Arbeit einer bestimmten Gruppe?
b.) Hast Du die Petition gestartet, um selber einen Vorteil zu haben?
Antwort:
a.) Diese Petition ist von mir selber formuliert worden. Ich spreche nicht stellvertretend für eine Gruppe, auch wenn es in der TS-Basisarbeitsgruppe eine Abstimmung über die Hauptforderungen gab, deren Umsetzung sich viele transsexuelle Menschen seit langem wünschen. D.h. ich habe eine Forderung aufgegriffen, die in vielen Forderungskatalogen steht – aber auf Grund vieler Diskussionen und offener Fragen wollte ich mich auf genau diesen einen Aspekt konzentrieren, der unter transsexuellen Menschen weitgehend unumstritten ist als Hauptforderung.
b.) Die Petition betrifft mich selbst nicht mehr. Ich habe das ganze Gutachtenverfahren hinter mir und seit 1.8.2014 ganz amtlich einen neuen Personalausweis, wie man im Artikel der Neuen Westfälischen sehen kann. Ich engagiere mich ehrenamtlich für die nächste Generation transsexueller Menschen. Ich bin der Meinung, dass unsere Demokratie von Beteiligung und Veränderung lebt und ich hoffe, dass Politiker und Wähler Gesetze und Formulierungen in Gesetzen, die sachlich nicht gerechtfertigt sind und Menschen belasten statt ihnen helfen, ändern, falls dazu Signale aus der Bevölkerung kommen.

Frage 14: Befürwortest Du Gender-Zentren und Fremdbestimmung durch sogenannte „Gender-Spezialisten“ bzw. den DSM5?
Antwort: Nein – das habe ich auch nie gesagt. Das hat aber auch mit der Petition nichts zu tun. Gender-Zentren sind m.W. Resultat einer bestimmten Gesundheitspolitik, haben aber mit der Petition gar nichts zu tun. Ebenso trete ich gegen Fremdbestimmung aktiv ein und habe genau aus diesem Grund die Petition gestartet, damit im rechtlichen Bereich mehr Freiheit und Selbstbestimmung für transsexuelle Menschen Realität wird.

 

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