Wenn man von der Hormonersatztherapie als

transsexuelle Frau mit anderen Menschen spricht, kommt oft die Frage: „Hast Du nicht Angst vor den Risiken und Nebenwirkungen?“ und etliche Frauen erzählen mir von einer Studie, die ergeben habe, wie problematisch eine längerfristige Hormonersatztherapie (HRT) sei. Nun ist nicht jede Hormonersatztherapie gleich der anderen, denn eine wichtige Frage ist: Werden bioidentische Hormone verwendet (oder andere)?

Über diese Studie und eine, die deren Ergebnisse etwas hinterfragt, berichtete die Süddeutsche Zeitung am 13.9.2017 unter dem Titel: „Wie gefährlich sind Hormon-Präparate in den Wechseljahren?“ (Autor: Werner Bartens). Im Artikel wird auch Prof. Dr. Ingrid Mühlhauser von der Universität Hamburg zitiert, die sich intensiv mit evidenzbasierter Medizin beschäftigt.

Der Autor des Artikels schreibt:

Frauen, die Hormone schlucken, haben demnach ein höheres Risiko, an Thrombosen, Lungenembolien, Brustkrebs und Herzinfarkt zu erkranken.

Leider erfolgt im gesamten Artikel kein Hinweis darauf, welche Medikamente genau genommen wurden. Ich habe deshalb Prof. Dr. Mühlhäuser dazu folgende Fragen gestellt, die sie wie folgt  beantwortete:

1.   Wurden bei den Studien bioidentische Hormone von anderen differenziert betrachtet – also z.B. Progesteron von anderen Gestagenen (Progestinen) in der HRT? Laut Wikipedia werden „die natürlichen Gestagene medizinisch selten eingesetzt“, während anscheinend „synthetische Analoga der Gestagene“ „teilweise auch zur Hormonersatztherapie“ eingesetzt werden. Auch Androcur ist ja ein Progestin und wird (trotz teilweise gravierender Nebenwirkungen) bei der HRT transsexueller Frauen eingesetzt.

„In der erwähnten WHI Studie wurde als Progesteron Medroxyprogesteronacetat eingesetzt, ein synthetisches Gestagen.
Zu bioidenticals gibt es einen Cochrane Review – aber diesen kennen Sie dann vermutlich schon.“

Das Cochrane Review findet man hier unter PMID: 27479272 DOI: 10.1002/14651858.CD010407.pub2 bei pubmed

2.   Gibt es in den Untersuchungen eine Differenzierung nach Art der Applikation? Wir haben von verschiedenen behandelnden Endokrinologen gehört, dass die transdermale Anwendung von Hormonpräparaten weniger Nebenwirkungen hat, da die Verstoffwechselung direkter erfolge…

„Es gibt letzlich keinen Beweis, bestenfalls Anhaltspunkte, dass transdermal verabreichte Hormone insgesamt ein besseres Nutzen-Schaden Profil in Bezug auf systemische Effekte haben als orale Applikation. […] Es gibt überwiegend nur Beobachtungsstudien.“

Eine Studie mit dem Titel „Oral vs Transdermal Estrogen Therapy and Vascular Events: A Systematic Review and Meta-Analysis.“ (PMID:27479272 DOI:

10.1210/jc.2015-2237) findet man hier.

Man sieht: Es braucht weitere Langzeitstudien, bei denen speziell bioidentische Hormone und ihre Wirkungen untersucht werden. Es wäre schön, wenn die öffentliche Hand dazu entsprechende Forschungsauftrag gibt.

Update 6/2018: Auf der Internetseite von Dr. Kade findet man folgenden Hinweis im Blick auf das Brustkrebsrisiko:

„Die Kombination von transdermalem Estradiol mit mikronisiertem Progesteron ging in der E3N-Studie über acht Jahre nicht mit einem erhöhten Risiko einher. Für synthe­tische Gestagene dagegen zeigte sich auch hier eine gesteigerte Brustkrebsrate.“

 

Diese Aussage findet sich auch in einem (in deutscher Sprache) verfassten Artikel mit dem Titel „RESÜMEE DER FRANZÖSISCHEN E3N-STUDIE ZUM BRUSTKREBSRISIKO DURCH HORMONSUBSTITUTION“ von Prof. Dr. med. Heinz-Günther Bohnet zur E3N-Studie.

Ein Kompendium zum Thema bioidentisches (mikronisiertes) Progesteron findet man ebenfalls bei Dr. Kade auf der Website. Man kann es gut dem eigenen Endokrinologen oder Gynäkologen in die Hand drücken …

Sehr lesenswert ist dieser Artikel zum Thema Progesteron und seine Wirkungen…

Update 3/2021 Es gab nun bei pubmed eine Publikation zum Thema Brustkrebs bei Transgendern und Menschen mit Variante der Geschlechtsentwicklung, die ich hier verlinke. Ein bemerkenswerter Satz daraus:

„First, the presence of a Y chromosome protects against the development of BC, even when female-size breasts and female-level estrogens are present. Second, without menstrual cycles, BC hardly occurs with an incidence comparable to males. There is a strong correlation between the lifetime number of menstrual cycles and the risk of BC.“ Quelle:

Breast Cancer and Major Deviations of Genetic and Gender-related Structures and Function.

 

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3 Antworten zu Wenn man von der Hormonersatztherapie als

  1. Verena sagt:

    Danke für deinen Beitrag! Die gleiche Reaktion kam auch aus dem Kreis der Primärfrauen, die erst einmal abgeschreckt waren von meiner HRT, da ja die ganzen Nebenwirkungen existieren. Ich habe dann geantwortet, ja also habts ihr einen besseren Vorschlag? Wie soll ich´s denn ohne Eierstöcke machen? Schulterzucken und Ratlosigkeit. Genau. Für mich hat die HRT mein Leben erst lebenswert gemacht…Einzig das Androcur zieht mich manchmal runter aber ich hoffe auf die GaOp, dann muss ich das ja nicht mehr nehmen. Danke nochmal für dein Engegament! Auch in Bezug auf das TSG. Ich muss da grad durch. Und die vom Amtsgericht München akzeptieren einfach nicht meine Sammlung von Gutachten aus Österreich. Die schreiben einfach so, „muss aus dem Inland kommen“.

    lg
    Verena

  2. Bei mir wurde eine heterozygote Prothrombin Mutation (eine Gerinnungsstörung) festgestellt und da gab es ein riesiges Theater. Ich musste schließlich zur Gerinnungsambulanz und zum Glück ist das so eine kleine Gerinnungsstörung, dass ich eigentlich auch oral Östrogene nehmen könnte, aber die Endokrinologen sind übervorstig und ich nehme jetzt transdermale Pflaster. Ironischerweise gab es bei der geschlechtsangleichenden OP keine erhöhte Gerinnung sondern erhöhte Nachblutungen.

    Ich hoffe dass Verena ihre Gutachten akzeptiert bekommt. Immer das gleiche mit den Behörden…

  3. Pingback: über die Bedeutung von Progesteron und epigenetischen Schaltern | Aufwind2012 – ein Blog von D. Zwölfer

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